Update zu unserem Beitrag „Die 8 wichtigsten Fragen für Arbeitgeber zur Corona-Epidemie“
Am 28.02.2020 hatten wir einen Beitrag mit Antworten auf 10 Fragen zu arbeitsrechtlichen Themen im Zusammenhang mit dem Coronavirus online gestellt. Seither haben mich in meiner Beratungspraxis einige Fragen erreicht, die aus meiner Sicht ein Update der arbeitsrechtlichen Beurteilung im Hinblick auf das Coronavirus SARS-CoV 19 und die hierdurch verursachte Lungenkrankheit Covid-19 sinnvoll erscheinen lassen.
In diesem Update geht es um die Frage, ob wissenschaftliche Erkenntnisse hinsichtlich der Risikogruppen zu einer Neubeurteilung der Rechtslage bei Schulschließungen führen, Arbeitgeber eine Covid-19-Home-Office-Regelung mit Ihren Mitarbeitern vereinbaren sollten und was passiert, wenn die Grenze mit Frankreich geschlossen wird. Am Ende gehen wir noch kurz auf das heute von Bundestag und Bundesrat einstimmig beschlossene Kurzarbeitergeld ein.
Können Arbeitnehmer zur Kinderbetreuung daheim bleiben, wenn Schule und KiTa geschlossen bleiben?
Die Schulen und Kindertagesstätten in Baden-Württemberg sind seit dem 17.03.2020 geschlossen. In unserem ersten Beitrag hatten wir festgehalten, dass Arbeitnehmer im Falle einer KiTa- und Schulschließung für kurze Zeit einen Anspruch auf bezahlte Freistellung haben.
Rechtlich gesehen fällt der Verhinderungsgrund in die Risikosphäre des Arbeitnehmers. § 616 BGB gewährt lediglich eine Ausnahme für den Fall einer kurzzeitigen Verhinderung ohne Verschulden. Das heißt die nun beschlossenen Schul- und KiTa-Schließungen begründen keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die gesamte Dauer, sondern allenfalls kurzfristig.
Wie lange das ist, hängt jedoch – wie so häufig – vom Einzelfall ab. Sobald dem Arbeitnehmer zugemutet werden kann, seine Kinder in fremde Obhut zu geben, muss er das auch tun.
Hier könnte sich die Lage tatsächlich anders als üblich beurteilen, da eine entscheidende familiäre Betreuungsmöglichkeit aufgrund der Infektionssituation entfällt. So rät der Virologe Prof. Dr. Christian Drosten dazu, die Kinder gerade nicht mehr zu den Großeltern zu bringen, da es sich bei älteren Menschen um eine besonders gefährdete Risikogruppe handelt. Fallen dann aber wesentliche Betreuungsmöglichkeiten weg, dürfte dies Einfluss auf die Frage haben, ob ein Arbeitnehmer andere zumutbare Betreuungsmöglichkeiten hat. Hier könnten im Hinblick auf Covid-19 möglicherweise großzügigere Maßstäbe angelegt werden. Vereinzelt wird für den Fall einer Pandemie von fünf Tagen ausgegangen. Bundesarbeitsminister Heil geht von zwei bis drei Tagen aus
Allerdings kann dem Arbeitnehmer durchaus zugemutet werden, Freizeitansprüche einzusetzen, da der Entgeltfortzahlungsanspruch im Falle der Kinderbetreuung nur für unvorhersehbare Ereignisse besteht. Bei vorhersehbaren Ereignissen sind Freizeit- und Urlaubsansprüche durchaus vom Arbeitnehmer zu verbrauchen. Für die Corona-Ferien gilt daher: Mag die kurzfristige Anordnung noch ein unvorhersehbares Ereignis sein, so ist deren Dauer vorhersehbar. Der Arbeitgeber kann vom Arbeitnehmer verlangen, dass dieser Urlaub oder überstundenfrei nimmt.
Spezielle Covid-19-Home-Office-Vereinbarung?
Wie zuletzt berichtet, gibt es weder einen Anspruch auf Home-Office noch ein Recht des Arbeitgebers Home-Office anzuordnen. Ersteres können Arbeitgeber und Arbeitnehmer zwar vereinbaren, zweiteres ist aber häufig in den landläufigen Vereinbarungen nicht vorgesehen.
Hier empfiehlt es sich eine spezielle Covid-19-Home-Office-Vereinbarung zu treffen, die es Arbeitgebern ermöglicht, die Arbeit im Home-Office anzuordnen. Hintergrund ist, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer normalerweise nicht zwingen kann, ins Home-Office zu gehen. Dagegen spricht das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung, das auch der Arbeitgeber respektieren muss. Allerdings ist es meines Erachtens möglich unter Berücksichtigung der Notwendigkeit des „Social Distancing“ entsprechende Vereinbarungen für diesen besonderen Fall zu treffen, deren Voraussetzungen aber klar und transparent sein müssen, damit die Maßnahme wirksam vereinbart wird. Geregelt werden muss unter Umständen auch von Arbeitgebern, wie lange eine solche Maßnahme dauern soll. Auch hier ist erforderlich, die Rahmenbedingungen klar und transparent zu beschreiben.
Empfehlung Mitarbeiter aus angrenzendem Risikogebiet Elsass nicht zu beschäftigen und Grenzschließungen
Allein im Einzugsgebiet der Arbeitsagentur Karlsruhe-Rastatt pendeln täglich rund 10.000 Elsässer nach Deutschland. Nachdem das Elsass vom Robert-Koch-Institut als Risikogebiet eingestuft wurde, folgen manche Arbeitgeber der Empfehlung Arbeitnehmer aus dem Elsass freizustellen. Auf Entschädigung können Arbeitgeber – zumindest noch – nicht hoffen. Da es sich lediglich um eine Empfehlung handelt, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Vergütung. Juristen sprechen in diesem Zusammenhang vom Annahmeverzugslohn, weil der Arbeitgeber den Arbeitnehmer einseitig freistellt und daher die Leistung nicht annimmt.
Anders liegt der Fall aber dann, wenn es zu Grenzschließungen kommt. In diesem Fall trägt der Arbeitnehmer das sog. Wegerisiko. Kommt er nicht, erhält er keinen Lohn. Derzeit sind Grenzschließungen nur für den privaten Verkehr geplant, nicht aber für Pendler und den Warenverkehr.
Update zum Kurzarbeitergeld
In Ihrer Krisensitzung haben sich die Kanzlerin und die 16 Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder darauf geeinigt, noch am 13.03.2020 das neue Kurzarbeitergeld auf den Weg zu bringen. Das Gesetz wurde heute im Bundestag verabschiedet und hat auch schon den Bundesrat passiert, um ein unmittelbares Inkrafttreten sicherzustellen. Voraussetzung ist, dass statt wie bisher ein Drittel zehn Prozent der Mitarbeiter vom Arbeitsausfall betroffen sind.
Bleiben Sie gesund!
Unser Partner Rechtsanwalt Dr. Christian Müller, LL.M. ist Fachanwalt für Arbeitsrecht. Als Lehrbeauftragter für Bürgerliches Recht und Wirtschaftsrecht unterrichtet er unter anderem Arbeitsrecht und Handels- und Gesellschaftsrecht an der Dualen Hochschule in Karlsruhe.
HAFEN MÜLLER HOOGEN Rechtsanwälte – Ihre Rechtsanwälte für den Raum Achern, Baden-Baden, Bühl, Rastatt
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