Aktuelle Rechtsprechung: Trunkenheitsfahrt mit E-Scooter
Das Oberlandesgericht Bayern (BayObLG) hat mit seinem Beschluss vom 24.07.20 unter dem Aktenzeichen 205 StRR 216/20 entschieden, dass eine Obergrenze von 1,1 Promille auch beim Fahren mit einem E-Scooter gilt. Es gebe keinen Grund, für E-Scooter eine Ausnahme zu machen.
Das Amtsgericht hatte den Angeklagten zu einer Geldstrafe wegen fahrlässiger Trunkenheit verurteilt und ein Fahrverbot von 3 Monaten verhängt. Außerdem wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen und für deren Wiedererteilung eine Sperrfrist von 7 Monaten gesetzt.
Auch bei der Fahrt mit einem E-Scooter gilt für die Annahme der absoluten Fahruntüchtigkeit der Grenzwert von 1,1 Promille
Was war passiert? In der Oktoberfestsaison 2019 mietete sich der Angeklagte in München einen sogenannten E-Scooter mit Kennzeichen. Mit diesem wollte er zu seinem Hotel in etwa 350 m Entfernung gelangen. Nach etwa 300 m hielt die Polizei ihn an und ließ ihm eine Blutprobe entnehmen. Diese ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,35 Promille. Nach Ansicht des Amtsgerichts habe daher der Angeklagte erkennen können und müssen, dass seine Fahrtüchtigkeit nicht mehr gegeben war.
Gegen dieses Urteil richtet sich der Angeklagte mit seiner (Sprung-) Revision zum Oberlandesgericht Bayern. Er sei davon ausgegangen, dass für das fragliche Fahrzeug die gleiche Promillegrenze wie für das Führen eines Fahrrades gelten würde. Auch die Geschwindigkeiten seien vergleichbar. Ein Fahrverbot sei unangemessen, da er auf dem Land lebe und ein Fahrzeug benötige. Es habe keine Regelvermutung nach § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB stattfinden dürfen.
E-Scooter – Kraftfahrzeug im Sinne der eKFV und § 1 Abs. 2 StVG
Die Revision hat jedoch keinen Erfolg. Denn auch das Oberlandesgericht ist der Auffassung, der Angeklagte habe sich der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr nach § 316 Abs. 1 und Abs. 2 StGB strafbar gemacht. Strafbar ist demnach, wer ein Fahrzeug führt, obwohl er wegen Trunkenheit oder wegen des Genusses anderer berauschender Substanzen zum sicheren Fahren mit einem Fahrzeug nicht mehr in der Lage ist. Bei E-Scootern handele es sich um Fahrzeuge im Sinne des § 316 StGB. Sie werden sogar nach der eKFV (Verordnung über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen am Straßenverkehr) vom 15.06.2019 als Kraftfahrzeuge eingestuft, da sie über einen Motor verfügen und mit einer Geschwindigkeit von 6–20 km/h fahren können.
Die Bewertung der Trunkenheitsfahrt habe das Amtsgericht korrekt getroffen. Denn für alle Kraftfahrer gelte die Grenze von 1,1 Promille. Dies habe der BGH (Bundesgerichtshof) mit einer Entscheidung vom 28.06.1990 so festgelegt und ausdrücklich klargestellt, dass diese Grenze für alle Fahrer von Kraftfahrzeugen gelte. Diesem Urteil seien Rechtsprechung und Schrifttum bisher auch gefolgt. Im Übrigen bestehe auch überhaupt kein Anlass, für Elektroscooter von diesem Wert abzuweichen.
Eine solche Abweichung sei auch gar nicht praktikabel, denn ein separater Grenzwert für jede Art von Fahrzeug würde nur zu verwirrender Vielfalt von Begriffen und Werten führen, was auch aus praktischer Sicht bedenklich wäre. Der Angeklagte habe mindestens fahrlässig gehandelt, als er mit 1,35 Promille eine Scooterfahrt unternahm.
Der Vortrag des Angeklagten, er habe sich über die Promillegrenze geirrt und angenommen, es gelte die Grenze für Fahrräder (1,6 Promille), überzeugt das Gericht nicht. Denn die Grenzwerte seien lediglich ein Beweis für die Fahruntüchtigkeit. Für die Strafbarkeit sei kein Vorsatz nötig. Der Fahrzeugführer müsse den Grenzwert überhaupt nicht kennen, denn die Umstände der Beweisführung seien für den subjektiven Tatbestand irrelevant. Es lägen auch keine Anhaltspunkte für nicht schuldhaftes Handeln vor. Auch das Strafmaß sei nicht zu beanstanden.
Ein Verbotsirrtum habe nicht vorgelegen. Es habe daher keine Möglichkeit bestanden, den Strafrahmen zu verschieben. Einen behaupteten Rechtsfehler des Amtsgerichts habe der Revisionsführer nicht aufzeigen können. Die Verhängung des Fahrverbots für drei Monate begegne ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Es schließen sich zwar Fahrverbot und Fahrerlaubnisentziehung gegenseitig aus, weil das Fahrverbot voraussetzt, dass der Täter nicht ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeuges ist. Das Fahrverbot komme jedoch zusätzlich zur Entziehung der Fahrerlaubnis in Betracht, wenn dem Täter das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen verboten werden soll oder manche Arten von Kraftfahrzeugen auszuklammern seien. Ersteres sei hier der Fall, da die Tat mit fahrerlaubnisfreiem Fahrzeug begangen worden ist. Der Vortrag des Angeklagten, dass am Wohnort kein Elektroscooter angeboten werde, überzeugt daher nicht. Die Entziehung der Fahrerlaubnis diene der Besserung und rechtfertige sich durch das Sicherungsbedürfnis der Verkehrsgemeinschaft.
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