Nutzung von technischen Geräten am Steuer nur unter strengen Voraussetzungen gestattet
BÜHL / BADEN-BADEN / RASTATT. Bekanntermaßen muss derjenige mit Sanktionen gemäß Bußgeldkatalog rechnen, der ein Handy am Steuer benutzt. Doch sind die Regelungen zur Nutzung von technischen Geräten, während der Fahrt, um einiges umfassender und noch weitere Tatbestände kommen für ein Bußgeld in Frage. Welche Geräte dürfen zu welchem Zweck beim Führen eines Fahrzeugs verwendet werden? Gibt es besondere Regelungen für festverbaute Touchscreens? Beziehungsweise fallen festverbaute Touchscreens unter § 23 Absatz 1a StVO? Und falls ja, greift eine Ausnahme, wenn über den Touchscreen ein sicherheitstechnisches Bedienteil des Fahrzeugs, wie die Geschwindigkeit des Scheibenwischer eingestellt wird? Hierzu nimmt das OLG Karlsruhe mit Beschluss vom 27. März 2020 – 1 Rb 36 Ss 832/19 erstmals ausführlicher Stellung, stellt Rechtsanwalt Robert Hoogen LL.M. Partner in der Kanzlei HAFEN MÜLLER HOOGEN, fest. Im konkrekten Fall ging es dabei um die Bedienung eines festverbauten Touchscreens.
Grundsätzliche Regelungen zur Nutzung bei der Fahrt
Nach § 23 Absatz 1a Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) darf ein elektronisches Gerät von einem Fahrzeugführer nur unter bestimmten Voraussetzungen genutzt werden. Sofern die Interaktion lediglich über Sprachsteuerung und Vorlesefunktion abläuft, ist eine Nutzung prinzipiell unbedenklich. Ebenfalls ist nach § 23 Abs. 1a StVO allein das bloße Halten eines elektronischen Geräts, während des Führens eines Fahrzeugs, kein tatbestandsmäßiger Verstoß, sofern keine „Benutzung“ des elektronischen Geräts vorliegt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein Mobiltelefon in der Hand bei Gelegenheit des Wegräumens einiger Papierblätter gehalten wird (so urteilte das OLG Hamm mit Beschluss vom 07. März 2019 – III-4 RBs 392/18 –). Wenn das Gerät beispielsweise über einen Touchscreen bedient wird, darf nur eine kurze angepasste Blickzuwendung erfolgen. Neben Mobiltelefonen sind Navigationsgeräte, Tablets und MP3-Player von der Norm umfasst. Ob das Gerät lose im Fahrzeug mitgeführt oder an der Hand getragen wird, wie z.B. eine Smartwatch, oder ob es fest installiert ist, ist kein Kriterium. Entscheidend ist letztendlich das Ablenkungspotenzial. In Zweifelsfällen stellt sich also die Frage, welcher kurze Zeitraum der Nutzung noch zulässig ist. Insbesondere wenn es zu einem Schadensereignis gekommen ist, dürfte alleine ein Anwalt für Verkehrsrecht bzw. Verkehrsstrafrecht der optimale Ansprechpartner sein.
Gegen eine Verurteilung des Amtsgerichts Karlsruhe, wegen Nutzung eines verbauten Touchscreens, während der Fahrt, legte der Betroffene Rechtsbeschwerde ein (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27. März 2020 – Aktenzeichen: 1 Rb 36 Ss 832/19). Ziel war das Abwehren einer Geldbuße von 200 € und das Beseitigen des Fahrverbots von einem Monat. Dem ursprünglichen Urteil des Amtsgerichts lag der folgende Sachverhalt zu Grunde: Der Führer des Fahrzeugs der Marke „Tesla“ bediente bei regnerischen Verhältnissen den fest neben dem Lenkrad über der Mittelkonsole des Fahrzeugs installierten Touchscreen. Grund war die Anpassung des Intervalls des Scheibenwischers. Im Rahmen der Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen kam der Betroffene von der Fahrbahn nach rechts ab, fuhr in eine Böschung und kollidierte dort mit einem Schild sowie mehreren Bäumen. Das Amtsgericht wertete das Verhalten des Fahrzeugführers dahingehend, dass die erforderliche Sorgfalt nicht beachtet wurde. Bei dem Berührungsbildschirm handele es sich um ein elektrisches Gerät im Sinne des § 23 Abs. 1a StVO. Gegen diese Entscheidung legte der Anwalt des Betroffenen Rechtsbeschwerde ein. Die festgesetzte Ordnungswidrigkeit stellte der er mit dem Hinweis in Frage, dass es sich bei dem Geschwindigkeitsregler des Scheibenwischers „Tesla“ um ein „sicherheitstechnisches Bedienteil“ handele.
Rechtliche Würdigung des Oberlandesgerichtes Karlsruhe
„Das Oberlandesgericht bestätigte letztendlich das Urteil des Amtsgerichtes. Die Geldbuße, sowie das Fahrverbot, blieben bestehen. Das Gericht wies darauf hin, dass die Straßenverkehrsordnung im Jahre 2017 grundlegend verändert wurde und nicht mehr zwischen mobilen sowie immobilen elektrischen Geräten unterschieden wird. Es sei stets ein elektronisches Gerät im Sinne des § 23 Abs. 1a StVO anzunehmen, wenn es über einen Touchscreen verfügt. Die im Paragraphen genannten Geräte der Unterhaltungselektronik oder Ortsbestimmung seien nicht als abschließende Aufzählung zu verstehen. Die Norm solle der Unfallverhütung dienen und Ablenkungen des Fahrzeugführers vom Verkehrsgeschehen verhindern. Es mache keinen Unterschied, welchen Zweck der Fahrzeugführer mit der Bedienung des Touchscreens verfolge. Es sei unerheblich, ob es um die Bedienung eines Navigationsgerätes oder um die Modifikation des Scheibenwischerintervalls gehe.
Der Senat bestätigte aber ausdrücklich die Feststellung des Amtsgerichts, dass es nicht um das generelle Verbot einer Nutzung des Touchscreens zur Einstellung von Fahrzeugfunktionen ginge. Grundsätzlich sei die Bedienung eines festverbauten Bedienungselementes, im Gegensatz zu einem Smartphone in der Hand, gestattet, doch dürfe es sich sodann nur um eine kurze Abwendung vom Straßenverkehr handeln. Die Blickzuwendung zum Gerät müsse auf die Straßen- Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnisse angepasst sein.
Das Oberlandesgericht Karlsruhe bestätigte durchaus den Hinweis des Verteidigers des Betroffenen, dass es sich um ein sicherheitstechnisches Bedienteil des Fahrzeugs handele. Die Einstellfunktion selbst sei auch kein elektronisches Gerät, welches der „Kommunikation, Information oder Organisation“ diene. Allerdings beinhalte die Geräteinheit auch weitere Funktionen wie die Navigation, die wiederrum die Voraussetzungen des Paragraphen erfülle. Die Verbotsnorm ließe die Herausnahme einzelner Funktionen nicht zu. Das Gerät müsse als Einheit mit allen Funktionen betrachtet werden.
Das Bußgeld und das Fahrverbot seien somit im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Die Besonderheiten des Einzelfalls
„Die technikoffene Neufassung des § 23 StVO wird von dem OLG Karlsruhe zwar weiter konkretisiert, doch kommt es für die Betroffenen weiterhin auf die Besonderheiten des individuellen Einzelfalls an.“, meint Rechtsanwalt Robert Hoogen LL.M., der unter anderem im Raum Achern, Baden-Baden, Bühl und Rastatt mehrere Mandanten vertritt. Schließlich spielt nicht nur die Klassifizierung des elektronischen Gerätes eine Rolle, sondern auch die Verkehrsgegebenheiten, die Dauer der Nutzung und das an die Verhältnisse angepasste Verhalten. Im Falle von Unklarheiten kann lediglich ein Anwalt eine ausreichende Würdigung dieser Aspekte ermöglichen und die Festsetzung einer Ordnungswidrigkeit im Idealfall vollständig abwehren. Ebenfalls bleibt abzuwarten, ob auch andere Oberlandesgerichte der Rechtsauffassung des OLG Karlsruhe folgen. In Anbetracht der Tatsache, dass in modernen Fahrzeugen immer mehr Einstellungen nur über Touchscreens verändert werden können, bleibt die Thematik rund um den § 23 Abs. 1a StVO spannend.
Gesetzlich normierte Ausnahmen § 23 Abs. 1b und 1c StVO
Der § 23 StVO sieht mit dem Absatz 1b Ausnahmen von den Regelungen vor. Die in der Praxis wichtigste Ausnahme ist, dass die elektronischen Geräte genutzt werden dürfen, wenn das Fahrzeug steht und der Motor vollständig ausgeschaltet ist. Hierzu zählt allerdings nicht die kurze Start-Stopp-Abschaltphase oder das Ruhen des elektrischen Antriebs. Somit ist das kurze Verfassen einer Nachricht an der Ampel nicht zulässig. Eine längere Blickzuwendung auf den Monitor im Fahrzeug ist beim Rückwärtsfahren oder beim Einparken erlaubt, sofern das Fahrzeug dafür mit einem Bildschirm oder einer Sichtfeldprojektion ausgestattet ist. Gleiches gilt für die Nutzung elektrischer Geräte, die vorgeschriebene Spiegel ersetzen oder ergänzen
Sogenannte Blitzer-Apps nicht erlaubt
Nach § 23 Absatz 1c StVO darf der Fahrzeugführer kein technisches Gerät mitführen, welches dafür bestimmt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen oder zu stören. Diese Norm zielt mitunter auf die „Blitzer-Apps“ ab. Ein Autofahrer darf laut einschlägiger Rechtsprechung, während der Fahrt, kein Smartphone an der Frontscheibe befestigt haben, auf dem eine „Blitzer-App“ installiert und aktiv ist.
Fazit:
Das Verkehrsrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht ist komplex und insbesondere die Nutzung von technischen Geräten, während der Fahrt, ist mit unzähligen Ausnahmen sowie Bedingungen verbunden. Wenn es zu einem Bußgeld- bzw. Ordnungswidrigkeitenverfahren kommt, ist ein kompetenter Ansprechpartner unerlässlich. Wenden Sie sich bei rechtlichen Fragen oder Anliegen rund um die Themen Auto und Verkehrsstrafrecht gerne an unsere Kanzlei. Wir sind für Sie da und unterstützen Sie mit unserem Expertenwissen!
HAFEN MÜLLER HOOGEN Rechtsanwälte – Ihre Rechtsanwälte für den Raum Achern, Baden-Baden, Bühl, Rastatt
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